Osteopathie
A.T.Still (06.08.1828-12.12.1917) gilt als der Begründer der Osteopathie, obwohl er selbst immer behauptet hat, dass er nichts selbst entwickelt habe. Vielmehr nehme er für sich in Anspruch die universell geltenden Gesetze der Osteopathie als erster erkannt zu haben.
Als Kind seiner Zeit war er von Anfang mit den Widrigkeiten eines Bewohners des Grenzlandes konfrontiert. Sein Vater, Abram Still, war methodistischer Prediger und als „district rider“ oft wochenlang auf dem Pferd unterwegs, um das Wort Gottes zu verkünden. Zu dieser Zeit kam den Predigern auch meist die Aufgabe des Arztes zu, so dass der kleine „Drew“ sich nicht nur von Anfang an um das Wohlergehen der Familie mit kümmern musste, sondern auch eigene Erfahrungen mit der damaligen Medizin machte.
Als junger Mann musste er erleben, dass die Medizin, die er mittlerweile von seinem Vater gelernt hatte, versagte: Drei seiner eigenen Kinder starben an Hirnhautentzündung, ein Adopitvkind an einer Lungenentzündung. Frustriert wandte er sich von der damals sehr schlecht praktizierten Medizin ab und suchte nach eigenen Wegen und Erkenntnissen.
Fasziniert von der Vollkommenheit der Schöpfung und der Perfektion des Körpers erging er sich in anatomische Studien, die er im Laufe der Jahre immer tiefer ergründete.
Beeinflusst vom Werk Spencers, den eigenen Erkenntnissen und seinem ingenieurshaften Verständnis des Körpers berichtete er später von einem Erleuchtungserlebnis, das er am 22.06.1874 hatte. Zu dieser Zeit nannte er sich noch "magnetic healer" und "lightning bone setter", später dann „Osteopath“. Die Grundsätze seiner neuen Medizin lassen sich vereinfacht zusammenfassen:
- Gottes Schöpfung ist perfekt.
- Der menschliche Körper funktioniert wie eine perfekte Maschine.
- Diese Maschine braucht keine weiteren Hilfsmittel (Medikamente) von außen, sie hat die Apotheke Gottes in sich.
- Wenn an dieser Maschine ein kleines Zahnrad nicht funktioniert, dann braucht sie keine Hilfsmittel (Medikamente), sondern einen Maschinisten, der den Fehler erkennt und behebt. Danach funktioniert sie wieder perfekt.
Ausgehend von der Beobachtung, dass Knochen eine Krankheit spiegeln und weiter für die Maschine Mensch eine zentrale Bedeutung haben und für den „Maschinisten“ (Osteopathen) den perfekten Zugang darstellen, um Krankheiten zu begegnen, nannte er seine Medizin „Osteopathie“ (von gr.: osteo = Knochen und lat.: pathos = Leiden).
1892 gründete er in Kirksville die erste Schule für Osteopahtie (ASO=American School of Osteopathy) mit einer angegliederten Lehrpraxis. Die Schule war so erfolgreich, dass bald Menschen von überall her nach Kirksville strömten, um sich vom „alten Doktor“ behandeln zu lassen.
Ein sehr früher Absolvent der ASO war der Schotte John Martin Littlehohn, der, nachdem er die ASO einige Jahre als Schulleiter geführt hatte, nach Europa zurückkehrte und 1917 in London die noch heute bestehende BSO (British School of Osteopathy) gründete. Von dieser „Urzelle“ aus gelangte die Osteopathie auf den Kontinent und wird seit den 1980er Jahren auch in Deutschland unterrichtet.
Ein weiterer Schüler von Still war William Garner Sutherland, der maßgeblich die „Craniosakrale Osteopathie“ entwickelte, in dem er die Prinzipien der Osteopathie auf die Schädelknochen übertrug. Ihm war es stets wichtig zu betonen, dass es sich hierbei nicht um eine Sonderform oder eigene Form der Osteopathie handelt, sondern dass es lediglich die um die Übertragung der Prinzipien der Osteopathie auf die Schädelsphäre und die dazugehörigen Elemente handelt.
In Europa hat sich die Osteopathie durch die Arbeiten von Barral, Stapfer, Weischenk und vielen anderen um den Bereich der Behandlung der Organe („viszerale Osteopathie“) erweitert.
Allen Osteopathen ist jedoch stets bewusst, dass es eine Trennung in „klassische“, craniosakrale oder viszerale Osteopathie nur auf dem Papier gibt, denn: Die Natur kennt keine Grenzen, oder anders formuliert: Der Körper ist eine Einheit!
Und so werden bei einer osteopathischen Behandlung immer alle Teile des Körpers untersucht und bei Vorliegen von Befunden auch behandelt. Dabei entscheidet der Osteopath, wo er „das schwächste Glied der Kette“ sieht und behandelt ebenda; dieser Punkt kann auch weit entfernt von der Stelle liegen, an der ein Patient seine Beschwerden verspürt.